Montag, 19. Mai 2008

Mensch 2.0



Ich habe vor mehr als einem Jahr (Januar 2007) an anderer Stelle dazu aufgerufen, Apple Aktien zu kaufen – anlässlich der Vorstellung des iPhone. Heute wissen wir: jeder der damals meinem Aufruf gefolgt ist, ist heute steinreich.
Nun habe ich selbst seit einem Monat ein iPhone, und es ist in nahezu jeder Hinsicht perfekt, berauschend, phantastisch. Gut, das war zu erwarten. Nicht unbedingt zu erwarten war jedoch, wie nachhaltig sich das Alltagsleben durch dieses kleine Gerät verändert. Dies führt mich zu einigen Prognosen und Betrachtungen, die ich unter dem Buzzword „Mensch 2.0“ erörtern möchte: anhand von drei kleinen Beispielen, vom Banalen zum Bedeutsamen.

1. Das Album meines Lebens

Nein, ich rede nicht vom iPod-Bereich des iPhones, sondern vom Bildbetrachter. Wohlbemerkt: Betrachter. Das das iPhone eine 2-Megapixel Kamera hat die durchwachsen-ordentliche Bilder macht sollte bekannt sein . Was aber die Horde der stumpfen „meine Handy XY hat eine bessere Kamera“-Behaupter übersehen: es ist das erste (Mainstream) Handy, das mit einem Display aufwartet auf dem man Bilder auch anständig BETRACHTEN kann, verbunden mit einem riesigen Bildspeicher . Und dies ordentlich in Alben sortiert , absolut flüssig, in beliebiger Auflösung, Hoch- und Querformat. In der Tat macht das iPhone seinen Job als digitaler Bilderrahmen nicht schlechter als die meisten „professionellen“. Das führt dazu, das ich mittlerweile eine Auswahl meiner relevanten Bilder auf das iPhone synce: meine letzten Urlaube, gute Freunde, meine Familie.



Wann immer ich nun in geselliger Runde mit wem auch immer unterwegs bin, ich kann die Bilder „herumreichen“. Diese Funktion wird mich nun den Rest meines Lebens begleiten: ich werde wieder ein Familienalbum haben, wie damals meine Eltern. Nur das in den letzten Jahren niemand mehr Lust hatte Bilder auszudrucken und irgendwo einzukleben – mit dem Ergebnis, das man tausende Bilder auf seinem Rechner hat, die aber niemand anschauen mag. Dieser Zustand ist nun endlich vorbei – für immer. Der Speicher meines jetzigen iPhone reicht bereits für zehntausende von Bildern: das wird bis zur nächsten Generation reichen.

2. Die Vertreibung der Langeweile

Ob es einem gefällt oder nicht: unser Alltag ist immer noch geprägt von Warten. Auf den Bus, an der Kasse, der Essensmarkenausgabe, dem Flughafen. Nicht immer ist ein interessanter Gesprächspartner zugegen, und wer holt schon an der Kasse bei Aldi sein Buch heraus. Selbst für ein Lied auf dem iPod reicht es oft nicht, und ein wenig asozial wirkt dies auch. Für einen Blick in die digitale Informationswelt aber ist immer Platz: Habe ich neue eMails? Gibt es in meinen RSS-Feeds Neuigkeiten? Was machen die Blogs meiner Freunde? Was vermeldet SPIEGEL Online? Diese Informationen hat man binnen weniger Sekunden abgegrast, und auf dem iPhone gelingt das – die richtigen Bookmarks auf der Oberfläche und ein paar nützliche Tools wie Yahoo Pipes vorausgesetzt – schneller als auf meinem Laptop mit DSL-Anschluss. Mein persönlicher Alltagswert: dauert das Warten vermutlich länger als 30 Sekunden, wird das iPhone gezückt. Ist das warten zu Ende, wird es mit einer Bewegung ausgeschaltet und weggesteckt – ein Vorgang der so intuitiv funktioniert wie das Zücken und Wegstecken der Brieftasche. Man nimmt das iPhone nicht mehr als Technik war. Durch die Nutzung der unproduktiven Wartezeiten (etwa mit Abarbeiten von eMails, das geht im Stehen und sogar Laufen) gewinnt man effektiv Freizeit – die man dann ohne Technik nutzen kann. Ich werde mich nie mehr langweilen – wunderbar.

3. DU bist Deep Thought

Die SF Literatur ist reich an Supercomputern, die alles wissen und jede Frage beantworten können – zur Not mit „42“ . Seit ich das iPhone habe, bin ich zu solch einem Supercomputer mutiert. Es gibt praktisch keine Frage, keine Lebenssituation, in der ich nicht binnen ca. 60 Sekunden eine treffende Antwort finden kann. Das mobile Internet macht es möglich: Wikipedia im Direktzugriff , Google, Fachdatenbanken , Bibliothekskataloge, Karten, Reiseführer , Bahnauskunft, Nachrichtenportale - einfach alles was das Internet hergibt. Neulich am Grill: „wer saß in der Weltmeister-Startelf `74 im Endspiel auf der Ersatzbank?“ – „SCHAUN WIR MAL“. Von wem stammt der Ausspruch „Gegen Demokraten helfen nur Soldaten“? „SCHAUN WIR MAL“. Wo finden wir die nächste Pizzeria? „SCHAUN WIR MAL“. Wie wird übermorgen das Wetter auf Borkum? „SCHAUN WIR MAL“. Es gibt keine offenen Fragen mehr, keine Wette die man verliert. Diese Erkenntnis muss man einmal sacken lassen. Im Moment gehört man mit diesen Möglichkeiten zweifellos zu einer Informations-Elite, aber in zwei Jahren hat das jede® (nicht zwangsläufig auf einem iPhone aber vergleichbar). Das Weltwissen ist plötzlich mobil geworden, vollständig demokratisiert. Medienkompetenz und Finanzen vorausgesetzt haben wir alle dasselbe Wissen zur Verfügung, unabhängig davon wie motiviert unsere Lehrer in der Schule waren. Natürlich werden die Menschen dieses Wissen ganz unterschiedlich zu nutzen wissen – manche werden sich mit der `74er Frage begnügen. Aber: wir haben alle die gleichen Möglichkeiten, werden gewissermaßen zu einem einzigen Wissenkollektiv. Die Konsequenzen können wir nur erahnen. Nehmen wir etwa den aktuellen Selbstdarstellungs-Hype auf Facebook, StudiVZ etc. Fünf Jahre später: bei ihrem ersten Date verschwinden Erna und Hans nacheinander auf der Toilette, um erst einmal in Ruhe zu Googeln mit wem man es denn da zu tun hat. Rumms. Das ist schon eine andere Qualität, ich habe nicht mehr meine vier Stunden „Freilauf“ bevor der andere zu Hause Informationen über mich einhohlen kann. Das mobile Internet wird alle Bereiche unseres Lebens verändern – weit mehr als dies Handys, eMails und das Internet an sich je getan haben. Wir werden andere Menschen sein, uns anders verhalten, anders fühlen – Menschen 2.0

1 Kommentar:

  1. Heh, sehr gute Artikel!
    Leider wird das Bild bei mir von irgendeinem Proxy nicht durchgelassen :(

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