Samstag, 28. Juni 2008

10 Dinge

Nachdem hier wild mit Stöcken um sich geworfen wird die das Schöne im Kleinen mehr oder weniger Ernst feiern, muss dem Thema dieser Seite angemessen natürlich das Große Ganze in den Mittelpunkt rücken. Daher jetzt nicht 10 Dinge, sondern 10 Konzepte oder Ideen die ich schätze und mit deren Beschäftigung sich ein rechter Menschen 2.0 befleissigen sollte:

1. Kunst
Von Amiri Baraka - der mit ziemlicher Sicherheit ein antisemitischer Idiot ist - ist das Zitat überliefert "Art is whatever makes you proud to be human." Dem kann ich mich nur anschließen: Kunst ist erst einmal völlig sinnfrei, es gibt keinen Grund warum sich die Menschheit mit so etwas beschäftigen sollte. Dennoch übt diese Zeitverschwendung auf mich eine große Faszination aus, sie eröffnet eine transzendentale Ebene - eben "proud to be human". Was ich an mir mag ist, das ich auf alle Formen der Kunst ähnlich affektiv reagiere - sei es Musik, Literatur, Film oder Computerspiel. Lediglich das Theater gehört als nachweislich inferiore Kunstform umgehend abgeschafft.

2. Geschmack
Es gibt wenige Dinge die mir so rätselhaft sind wie Geschmack. zunähst einmal scheint es die Evolution in den letzten 300 Jahren nicht bemerkt zu haben, das wir in Kontinentaleuropa nicht mehr täglich gegen den Hungertod kämpfen müssen. Dennoch schmecken immer noch alle ungesunden Sachen mit viel Fett und Zucker - in der Urzeit vielleicht sinnvollerweise - am besten. Völlig ratlos werde ich, wenn ich merke wie sich mein Geschmack ändert. Ich liebe jetzt roh Tomaten, die ich bis zu meinem 20. Lebensjahr nicht ausstehen konnte. Warum? Es macht keinen Sinn. Immerhin ist der Geschmack dafür gut, Menschen zum Kochen zu verleiten. Und das ist mal eine wirklich glücksspendende Beschäftigung.

3. Humor
Wie Kunst m.E. völlig sinnlos. Kann auch nur in Maßen antrainiert werden. Dennoch gilt die Regel: ein Mensch mit Humor kann nicht wirklich schlecht sein. Auch sehr praktisch: die vielen hübschen Schattierungen wie Ironie, Sarkasmus, Zynismus oder die nur in Deutsch verfügbare Schadenfreude. Immer noch der heilige Gral des Humors: Monty Python. Das gabs nur einmal, das kommt nie wieder.

4. Fortschritt
Gewissermaßen die Arbeitsthese dieser Seite: es muss weitergehen, Stillstand ist der Tod. Und da sind de Menschen nun mal ganz weit vorne: mit nichts, aber auch gar nichts geben sie sich zufrieden, überall muss es weitergehen - in Wissenschaft, Gesellschaft, Kunst oder Mode. Diese stete Unrast ist mir grundsympathisch. Alles kann stets noch verbessert werden, und es wird sich immer ein Mensch finden der genau dies tut. Manch einen lässt das gar melancholisch werden: das Leben ist so kurz, all die tollen Erfindungen die wir nicht mehr erleben werden...

5. Liebe
Unter Wissenschaftler gilt als ausgemacht das das Konzept der romantischen Liebe in der bürgerlichen Gesellschaft des 18. Jhd. erfunden wurde. Gute Erfindung, also Fortschritt wohin man blickt! Die Abschaffung dieses Konzeptes durch die 68er ist nachweislich gescheitert, ein Indiz dafür das wir hier doch kein konstruiertes Konzept sondern ein evolutionäres Artefakt betrachten.

6. Empathie
Die Möglichkeit, zumindest den Versuch zu unternehmen sich in andere hineinzuversetzen und deren Handlungen von innen heraus nachzuvollziehen ist sehr abwechslungsreich. Es bietet großes Gewinnpotential (etwa: der Frauenversteher) und das Risiko des Scheiterns, was dem ganzen eine angenehm spielerische Note verleiht.

7. Geschichte
Geschichte hat drei große Vorzüge: sie ist 1) frei kostenlos zugänglich, 2) enthält mehr Spektakel und interessante Details als irgendetwas anderes auf der Welt und 3) bestenfalls kann man etwas für hier und jetzt daraus lernen und geht möglicherweise in selbige ein. Pädagogische Vermittlungsprobleme (Schule) sind hier mit aller Macht zu überwinden.

8. Lernen
Ist es nicht toll, was wir uns für Tricks beibringen können? Andere Sprachen, Sportarten, Musikinstrumente, HTML, Sexpraktiken - man lernt nie aus, und es gibt kaum etwas netteres als wenn man dann feststellt "hey, das konnte ich bisher nicht, jetzt bin ich ein besserer Mensch als vorher" -> Fortschritt.

9. Hoffnung
Unabdingbar, um in einer permanent unperfekten Welt den Lebensmut nicht zu verlieren und sich stattdessen lieber damit zu beschäftigen wie man die Situation verbessern kann ->Fortschritt. Es gibt keine vernünftige Erklärung, warum es so etwas sonderbar abstrakt-emotionales wie Hoffnung überhaupt gibt.

10. Wir haben die Macht der Freien Entscheidung. Wenig bis gar nichts hat mich so nachhaltig beeinflusst wie dieses Grundkonzept von Anthony Burgess, leitet sich hieraus doch ein ganzer Zoo von Handlungsanweisungen (sic!) ab, über den aber vielleicht ein andermal geschrieben wird.

In der Summe muss man irritiert feststellen: bei fast allen Punkten oben haben wir keinen blassen schimmer warum es das gibt und warum es so toll funktioniert. Noch viel Raum für ->Fortschritt.

2 Kommentare:

  1. Zitat:
    "In der Summe muss man irritiert feststellen: bei fast allen Punkten oben haben wir keinen blassen schimmer warum es das gibt und warum es so toll funktioniert."

    Die Frage ist: Wollen wir das wissen? Müssen wir das wissen? Ist nicht genau das Unwissen über diese Dinge der transzendentale Punkt, den wir niemals überschreiten werden, egal wie viel Fortschritt es gibt?
    Nichtsdestotrotz ergänze ich mal noch drei schöne Konzepte, die auf die Liste der Hybris gehören:
    1. Fußball
    2. Freundschaft
    3. Frieden.

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  2. Sehr, sehr schöner Beitrag mit vielen Wahrheiten.

    Wie läuft´s in Rapture?

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