Heute ist ein guter Tag.
Die beste Partei Deutschlands hat heute in einer mittelgroßen deutschen Arbeiterstadt ein (End)Sommerfest gefeiert. Dies tat sie, ganz bewusst, im sozial schwächsten Stadtteil - nennen wir es das Ghetto.
Ich, seit vier Wochen mit einer 50mm F1.8 Portraitlinse gesegnet, hatte nun einen narzisstischen Plan: die Kunst in das Ghetto bringen. Also ein pompöses A0 Plakat gestaltet: "Das beste Portrait Ihres Lebens, nur hier und heute für 1€ auf CD".
So lief das natürlich nicht. Der € wurde schnell abgeschafft, und "Portrait" kannte keiner.
Aber: es passierte etwas anderes, ziemlich wunderbares. Ich würde es als Prozess des "Erwachens" bezeichnen. Die Hauptzielgruppe waren Mädchen zwischen 8 und 12 Jahren. Die wollten teils gar nicht, teils nur in Rudeln vor die Kamera. Dem habe ich mit meiner gewohnt instruktiven Art entgegengesetzt "Ruhe jetzt, setzen."
Wirklich berückend war die Reaktion der Mädchen auf die fertigen Bilder, von mir bewusst etwas "knalliger" entwickelt (auf die Bilder klicken um zu größeren Ansichten zu kommen):
"das - bin - ICH."
Da stand kein Fragezeichen.
Kein triumphierendes Ausrufezeichen.
Vielmehr stand da - vielleicht und vermutlich erstmals in ihrem jungen Leben - die Erfahrung, dass äußeres und inneres Selbstbild in Deckung gebracht werden können.
Die umstehenden, vorher feixenden Jungen verstummten.
Gerade sie werden mit etwas anderen Gedanken nach Hause gegangen sein.
Ich bin mir - wieder ganz narzisstisch - ziemlich sicher, das diese Bilder das Selbstbild und Selbstwertgefühl dieser Ghetto-Kids für die nächsten Jahren verändert haben. Dies werden die Bilder sein, die sie ihren ersten Freunden schenken. Und sie haben gesehen, dass hinter Illustrierten-Fotografie nur eine 80 € Linse, mittelmäßiges Talent und etwas Software stecken. Schönheit gibt es überall.
Die Frage die ich mir nun stelle: sollte man hieraus nicht eine Bewegung machen. Einigermaßen talentierte Fotografen - und davon gibt es allein auf Flickr Hunderttausende - gehen als aktive Sozialarbeiter in die Ghettos ihrer Städte, mindestens einmal im Jahr, und schenken den Jungen und Mädchen dort etwas, auf das diese - vielleicht ihr Leben lang - keinen Zugriff haben (was nicht die Tatsache verneint das es auch in Ghettos brillante Fotografen gibt - ich habe etwa auf Cuba einen 18jährigen kennengelernt dessen Talent mich erschüttert hat). Der Aufwand ist absurd gering, der Mehrwert im Vergleich zu anderen Aktionen vermutlich immens. Auch Rap begann als Selbstwert-Definition.
Natürlich müsste noch der Diskurs geführt werden, ob man nun gerade Glamour-Style als Idealbild transportieren will, siehe hierzu diverse Kommentare zu Schönheitsidealen bei Wicked Bitch.
Aber, das wurde mir heute nachhaltig klar: auf jeden Fall ist das etwas das einfach FUNKTIONIERT.
Heute ist ein guter Tag.
Umleitung
vor 3 Monaten
Wunderschön. Wirklich eine schöne Idee. Nur diesen Ghettokids-Diskurs find ich etwas despektierlich... aber das ist ein Detail.
AntwortenLöschenWas den Schönheitsdiskurs angeht: der steht mit den Bildern, die Sie machen, in keinem Zusammenhang, zum Glück. Ein gelungenes Portrait ist auf Oberflächlichkeiten nicht angewiesen. Und was ich diskutiere, sind Oberflächlichkeiten, keine Frage. Die spielen nur eine Rolle, weil sie im täglichen Leben nun mal präsent sind. Für ein symbolisches Foto ist so was nicht wichtig.