Mittwoch, 17. September 2008

Kennen sie "Digitales Schweigen"?

In Skype zu chatten bringt als Kommunkationsform einige sonderbare Eigenarten mit sich. Zunächst einmal - das richtige Plugin vorausgesetzt - erfährt man mehr aus dem regen Leben seines Freundeskreises als einem lieb sein kann:


Aber auch davon abgesehen gibt es ein relevanteres und faszinierendes neues Phänomen, das so in der Realität keine Entsprechung hat: Digitales Schweigen.

Man tippt also irgendeinen Text an den Kommunikationspartner - und dann passiert: nichts. Lange Zeit nichts.
Dies kann nun ganz unterschiedliche Ursachen haben, vom Bedeutsamen zum Profanen.

1) Habe ich dem Anderen auf den Schlips getreten? Ist Ironie nicht angekommen? Wurden ungeschriebene Grenzen verletzt?

2) Oder aber: chattet er gerade noch mit vier anderen (durchaus üblich), und kommt einfach nur zu nichts? Sind dann die anderen Chatpartner wichtiger als ich?

3) Oder geht er sich gerade einen Kaffee hohlen? Wenn ja: VOR oder NACHDEM er meinen Text gelesen hat?

4) Oder langweilt sich der andere schlicht, hält den Text für nicht ernsthaft beantwortungswürdig und surft statt zu antworten sonst wo rum?

Die Konsequenzen sind grundverschieden für das weitere Kommunikationsverhalten, und es gibt nur wenige Anhaltspunkte auf welcher der vier Ebenen man sich nun bewegt.

Wenn Uma Thurman in Pulp Fiction ihre Ausführungen zu dem "Unbehaglichen Schweigen" macht, ist das a) eine der besten Dialogkinopassagen der letzten Jahrzehnte und b) Sex pur. Sie definiert hier eine zumindest für mich absolut stilbildende Form der sexuell aufgeladenen Direktheit, der unbedingte Wille auch im direkten Dialog dahin zu gehen wo es weh tut.

Durch die Kontextualisierung der Szene ist ihre Kommunkationsstrategie ganz eindeutig (oder nur von ohnehin Lahmen und Fußkranken nicht zu dechiffrieren). Wie oben gezeigt, entfällt diese Eindeutigkeit im Skype-Chat.

Dies verpasst nun dem digitalen unbehaglichen Schweigen einen sehr ungemütlichen Beigeschmack, ist es doch als rhetorisches Mittel noch sinistrer einsetzbar: man lässt den anderen hängen, zappeln, um falls notwendig ein frohgelocktes "war nur ein Bier hohlen" hinterherzuschieben.

Die Menschzweinullwelt ist keine einfache.

5 Kommentare:

  1. Und dabei fehlen noch die einfachsten Möglichkeiten:
    5) Rechner angelassen, Haus verlassen weil der Rechner noch was wichtiges machen muss derweil
    6) Rechner an, aber Nutzer telefoniert/kocht/hat sich anderweitig vom Rechner entfernt und das schon seit Stunden
    7) Nutzer sieht Nachricht, aber arbeitet konzentriert und beantwortet alle Nachrichten später.

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  2. Übrigens müsste es richtigerweise 1 Kommentar, 2 KommentarE heißen. Aber wenn ich auf senden klicke, stimmt es ja wieder... (blogspot halt...) :)

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  3. Herr Uniwave, ihre inhaltsschwangeren Kommentare erfreuen mich immer wieder aufs Neue. Ich kann Ihnen in meinem Blog gern eine Spielecke einrichten, das strafft vielleicht hier die Diskussion etwas?

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  4. Mensch2.0, das ist ein wirklich schöner und relevanter Beitrag. Ich werde das Thema ganz bald aufgreifen und hoffe dann auf Kommentare Ihrerseits.
    Was auch nicht schön ist: die Meldung "Nachricht kann nicht gesendet werden. XY hat Sie von seiner Kontaktliste entfernt." So kündigt man digital, schnell und unkompliziert eine Freundschaft auf. Wie viel mehr Schmerzen das auf der Gegenseite bereitet, die Gründe dafür nicht einmal mehr genannt (geschweige denn ins Gesicht gesagt) zu bekommen, darüber denkt der Mensch2.0, der gerade einen Kontakt gelöscht hat, wahrscheinlich gar nicht nach.

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  5. So etwas würde ein verantwortungvoller Mensch2.0 nicht tun.
    Das Konzept des Mensch2.0 umfasst die Erklimmung einer neuen humanistischen Ebene. Nicht digitale Kälte - die gilt es zu bekämpfen.

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